Dienstag, 15. April 2014

Was ist Mediation? (2)




»Der Vertrag – Das Herzstück der Mediation«

 
 Mediation verkörpert die Ur-Form konsensueller Entscheidungsfindung. (Meint = Die Suche nach Konsens, mit den Mitteln der Kommunikation; nach den Prinzipien des freien Dialogs). Sie beruht auf der selbstverantwortlichen Lösungssuche für eine  konflikthafte Situation durch die unmittelbar Betroffenen, unter den Augen eines neutralen Dritten; der falls nötig, auf Abweichungen von den zuvor einvernehmlich getroffenen Regularien (= Arbeitsbündnis) hinweist, die für die Lösungssuche maßgeblich sein sollen. Diese Interventionen sind jedoch keinesfalls richtungsweisend. Sie betreffen nur Verfahrens- nicht jedoch Sachfragen. Ferner versucht der Mediator Machtungleichgewichte auszutarieren, die eine paritätische Lösungssuche eventuell verhindern könnten. 


Von Norbert KUBESCH M. A. (Politologe, Jurist)
www.delibero.biz
 


Die Rechtsprechung engt Lösungsräume ein. Mediation weitet sie aus.
Mediation verändert nicht nur die Perspektive der Medianten, erweitert ihren sprichwörtlichen Tunnelblick, sondern bewahrt sie auch vor dem  oftmals engen Korsett einer justiziablen Lösungssuche, die sich einzig in den Vorgaben der Rechtsordnung, nicht aber, wie die außergerichtliche Konfliktlösung darüber hinaus (wohlgemerkt darüber hinaus, nicht darüber hinweg) bewegen kann. 

Opportunitätskosten* sind der Gradmesser dafür, was uns entgeht, wenn wir auf streitbaren, statt auf einen verhandelbaren Ausgang pochen. Wer nur noch rot sieht schreibt bald auch keine schwarzen Zahlen mehr! Er gibt in letzter Konsequenz den KOHLHAAS in der Konfliktdramaturgie. Der (Gerichts-)Vergleich ist deshalb auch in den meisten Fällen, das Ergebnis strategischen Kalküls. Denn angesichts der Ungewissheit über Nutzen und Erfolg, beim Schritt in die nächste Instanz, empfiehlt es sich oft, die Reißleine zu ziehen und es beim Status Quo zu belassen, statt weiter zu prozessieren.

* Definition: Die Wirtschaftswissenschaften bezeichnen Opportunitätskosten als  Kosten, die den Wert jener Alternative beziffern, auf die bei der Möglichkeit (Opportunität) zur Wahl zwischen zwei Alternativen verzichtet werden muss. Sie sind, so ließe sich verkürzt sagen, das Resultat einer Entweder-oder-Entscheidung.





Über das Haben und Sein im Konflikt

Die Mediation strebt die Beilegung des Konfliktes durch Vertrag an. Das Vertragsergebnis kann vereinfachend aus zwei Blickwinkeln beurteilt werden. Einer ökonomischen Sicht und einer normativen Sicht. Der ökonomische Blickwinkel legt das Augenmerk darauf, ob die Interessen der Parteien adäquat berücksichtigt wurden. Das dabei angestrebte Ideal ist die WIN-WIN-Lösung. Sie sollte als Ideal verstanden werden, an das sich die Verhandlungen möglichst umfassend annähern. Konkret geht es um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit. Wurden die streitbaren Ressourcen in einem ausgewogenen Verhältnis verteilt? Können die Parteien abschließend mit einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz resümieren?    


Die normative Sichtweise wiederrum rekurriert darauf, ob der Verfahrensablauf die Gerechtigkeitsvorstellungen der Parteien wiederspiegelt. Konkret: Inwieweit wurde der Anspruch auf Teilhabe, also das berechtigte Interesse daran, gehört zu werden, sich authentisch mitteilen und auch wahrgenommen zu werden, tatsächlich umgesetzt? Und schließlich: Wurde die Balance zwischen den Konfliktparteien eingehalten, bzw. Ungleichgewichte austariert?



Die Abschlussvereinbarung ist schlussendlich der Gradmesser der Verfahrensgerechtigkeit. Nur diejenigen Verträge, die wirklich von allen als gerecht angesehen werden, werden auch langfristig eingehalten. Denn am Ende der Mediation verlassen die Parteien wieder deren geschützten Raum. Um nach dem Verlassen des
»Mediationskokons«, kein Gefühl der Unsicherheit aufkommen zu lassen, empfiehlt sich die notarielle Beglaubigung.  Die Titulierung der Mediationsvereinbarung (§ 2 Abs. 6 Satz 3 MediationsG) kann im Wege eines Vergleichs (§ 794 Abs. 1 Nr. 1, § 796a ZPO) oder einer notariellen Urkunde (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) vollstreckbar gemacht werden. Überdies hat es sich bewährt, in die Abschlussvereinbarung ergänzend eine »Mediationsklausel«, hinzuzufügen, in der die Absicht verlautbart wird, auch künftig Meinungsverschiedenheiten zunächst auf dem Wege der Mediation lösen zu wollen.


Der Vertrag – die Freiheit nehme ich mir!

Wer Konflikte über Mediation löst, löst gleichfalls seinen grundrechtlich verbrieften Anspruch auf das Rechtsprinzip der Privatautonomie ein. Inbegriff der Privatautonomie ist die Vertragsfreiheit. Sie macht die Akteure zu Gesetzgebern im Binnenverhältnis, sprich: sie regeln ihre Belange selbstbestimmt und verfügen paritätisch darüber wie mit der Schnittmenge ihrer Interessen verfahren werden soll. Die Form der Übereinkunft legen sie zu gemeinsamen Lasten und Pflichten, als auch positiv gewendet zu gegenseitigen Leistungen und Rechten fest. Durch den freiwilligen Entschluss sich dort wo sich ihre Handlungen und Entscheidungsdispositionen überlagern, im Sinne eines höheren gemeinsamen Interesses (Kooperation) selbst binden und somit auch in ihrer Handlungsfreiheit beschneiden zu wollen, geben sie Ihrer Vereinbarung die notwendige Autorität. Von den Rechtsfolgen bleiben Dritte unberührt. Die Exklusivität der Vereinbarung beschränkt sich lediglich auf den Kreis der Vertragsschließenden. Darin äußert sich auch der Unterschied zum Gesetz. Während dieses ein Akt hoheitlicher Rechtssetzung darstellt, beruht der Vertrag auf der freiwilligen Selbstbindung mindestens zweier Parteien, die Berührungspunkte ihrer Handlungssphären zum beiderseitigen Vorteil (WIN-WIN) abzustimmen. 

Durch diese Übereinkunft erreichen die involvierten Parteien, dass ihnen eine Fortführung ihrer Handlungen durch den strittigen Gegenstand (materiell und/oder immateriell) nicht länger verwehrt wird. Übereinkunft meint jedoch nicht, dass die Ansichten der Parteien  ohne wenn und aber deckungsgleich sind. Das letztlich umknickt, wer nicht abnickt. Der Begriff Übereinkunft insistiert vielmehr auf den größten gemeinsamen Nenner, den Punkt, da alle Unklarheiten beseitigt und beiden Parteien bewusst ist, das Zugeständnisse gemacht werden müssen. Der Preis dafür ist  jedoch nicht ein zähneknirschendes Einverständniss, sondern der Lohn ist das beiderseitige Verständnis.

Uns allen bekannt sind die Bedingungen einer so regulierten Austauschbeziehung aus dem volkstümlichen Satz: »Eine Hand wäscht die andere!« (lat. = manus manum lavat). Wer etwas gibt, darf eine angemessene Gegenleistung erwarten. »Quid pro quo«,  (dtsch.: dieses für das) ein eherner Rechtsgrundsatz und ökonomisches Prinzip.  Die Verhandlungstheorie bezeichnet ein Austauschverhältnis nach den Grundsätzen der Gegenseitigkeit als »reziprok«.